Anwalts-Tipp
(Allgemeines)
"Schweigen ist Gold" - die wichtigste Grundregel für Beschuldigte im Strafverfahren
Wer unerwartet von der Polizei kontrolliert und möglicherweise auch mit dem Vorwurf eines vermeintlich strafbaren Verhaltens konfrontiert wird, gerät in eine ungeheure Stress-Situation. Diese führt sehr häufig dazu, dass man sich gegenüber der Polizei auf eine Weise verhält, die unwiderruflich erhebliche Nachteile nach sich zieht. Angesprochen sind damit gar nicht Situationen, in denen es zu Beleidigungen oder Widerstandshandlungen gegen Beamte oder gar tätliche Angriffe auf sie kommt, was freilich stets vermieden werden sollte. Nein, es geht um nicht mehr und nicht weniger als Selbstbelastungen durch gut gemeintes, aber meist schlecht umgesetztes Aussage-Verhalten.
Wohl jeder Strafverteidiger wird bestätigen können, dass in der Praxis zahlreiche Fälle überhaupt erst zu Anklagen gegenüber Mandanten geführt haben, weil diese sich vor Ort gegenüber der Polizei geäußert haben. In anderen Fällen wäre es ohne derartige Aussagen zumindest zu milderen Rechtsfolgen gekommen.
Besonders häufig werden bereitwillige Angaben von Beschuldigten zum „Schuss ins eigene Knie“, wenn sie nach mäßigem Alkohol- oder auch Drogenkonsum vor Fahrtantritt im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle erfolgen. Oftmals wäre nämlich ohne solches Mitwirken eine relative Fahruntauglichkeit nicht nachzuweisen und statt eines schwerwiegenden Straftatvorwurfs wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) bliebe nur eine bloße Ordnungswidrigkeit mit deutlich milderen Rechtsfolgen hängen. Hierauf werde ich aus Platzgründen zu gegebener Zeit in einem gesonderten Beitrag noch näher eingehen.
Natürlich ist derartiges Verhalten ohne weiteres nachvollziehbar. Neben der durch die Situation ausgelösten Nervosität spielen Unerfahrenheit und Obrigkeitshörigkeit ebenso eine Rolle, wie auch das menschliche Bedürfnis nach Harmonie. Man möchte nicht schroff „nein“ sagen und vertraut zugleich darauf, dass man davon profitieren werde, wenn man „mitmacht“. Zugleich aber lässt man sich als Beschuldigter damit auf ein unschönes Spiel ein, bei dem man selbst die Regeln nicht kennt, wohingegen der Gegen-Part in Gestalt ausgebildeter und vernehmungserfahrener Polizisten sie meist bestens beherrscht.
Es kursiert noch immer das hartnäckige Gerücht, dass man sich gegenüber der Polizei doch äußern müsse. Dabei ist es in rechtlicher Hinsicht völlig unumstritten, dass jeder Beschuldigte einer Straftat ein umfängliches Recht hat zu schweigen. Letztlich ergibt sich der Grundsatz des Selbstbelastungsfreiheit aus dem Grundrecht der Menschenwürde (Art. 1 Abs.1 GG) und ist damit verfassungsrechtlich verbürgt.
In § 136 Abs.1 S.2 StPO, in dem es um die Belehrungspflichten der Polizei gegenüber einem Beschuldigten geht, heißt es deswegen auch explizit: „Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen.“
Wer von diesem Schweigerecht Gebrauch macht, kann keinen Fehler machen. Alles, was er vor Ort in unüberlegter Weise und unter Stress sagen könnte, kann er genauso gut auch später, nach anwaltlicher Beratung noch ausführen – nur mit dem Unterschied, dass dann nur wohlüberlegte Aussagen getätigt werden. Denn eins muss jedem klar sein: Was einmal durch Protokollierung seitens der Polizei als Aussage des Beschuldigten zur Akte gekommen ist, kann nur höchst selten nachträglich unschädlich gemacht werden!
„Reden ist somit nicht einmal silber“, um den Titel meines Beitrags aufzugreifen, sondern vielmehr die Basis, um sich selbst um Kopf und Kragen zu bringen, wenn man von der Polizei beschuldigt wird.
Natürlich gibt es einzelne Fälle, in denen eine Aussage gegenüber der Polizei schon vor Ort sinnvoll sein kann. In nahezu allen sonstigen Fällen aber ist es geboten, zunächst einmal sein Schweigerecht zu nutzen und jegliche Angaben zum Tatvorwurf zu verweigern.
Vor allem sollte man sich nichts Gegenteiliges einreden lassen. Es passiert immer wieder, dass Mandanten darüber berichten, die Polizei habe ihnen gesagt, sie könnten natürlich schweigen, aber es werde für sie begünstigend berücksichtigt, wenn sie sich kooperativ verhalten. Doch weit gefehlt – denn gerade in derartigen Fällen sind solche in Aussicht gestellten Vergünstigen oftmals nicht zu erwarten und die Polizei hätte vielfach ohne die selbstbelastenden Schilderungen des Betroffenen überhaupt nicht genügend Verdachtsmomente zusammentragen können, um der Staatsanwaltschaft für eine spätere Anklage genügend Ermittlungs-Futter zu liefern.
Die wichtigste „Goldene Regel“, sich nicht vorschnell gegenüber der Polizei zu äußern, gilt selbst dann, wenn man meint, keine Schuld auf sich geladen zu haben, z.B. beim Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung nach einem Verkehrsunfall (§ 229 StGB) oder des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB).
Abschließend zu erwähnen ist auch noch entgegen einer ebenfalls weit verbreiteten Fehl-Behauptung, dass das Schweigen als eine Art Schuld-Eingeständnis aufzufassen sei – genau das darf eben nicht passieren, weil Schweigen rechtlich gesehen eindeutig erlaubt und aus Strafverteidiger-Sicht betrachtet regelmäßig auch geboten erscheint, um die Rechte Beschuldigter bestmöglich verteidigen zu können.